Metz – Zeit für Reflexion
„Sein Herz verlieren ist die beste Art zu entdecken, daß man eines hat.“
Unbekannt
Bevor ich meine letzte Etappe in Metz erreiche, mache ich in dem kleinen Örtchen Pont-à-Mousson an der Mosel Halt. Die dortige Abtei Des Prémontrés soll zum Weltkulturerbe gehören. Außerdem hatten die Erbauer angeblich ein Faible für ausgefallene Treppen. Da ich mir das in Kombination mit einem historischen Bau nur äußerst schwer vorstellen kann, muss ich diesen Ort natürlich mit eigenen Augen sehen.
Die Tatsache, dass ich dem Gebäude auch ein Hotel untergebracht ist, verdränge ich vorerst erfolgreich. Bis mir die ersten rüden Hotelgäste die Tour etwas madig machen. Nachdem ich mich wieder gefangen habe, schrillt auf einmal ein Alarm durch die alten Hallen. Zuerst spaziere ich seelenruhig weiter durch die Räume. Vermutlich nur ein Fehlalarm. Als alle anderen die ehemalige Abtei jedoch verlassen, schließe ich mich vorsichtshalber an. Während dieser ganzen Zeit interessiert sich niemand um mein Wohlergehen im Falle eines tatsächlichen Brands. Noch unter dem Eindruck der vorangegangenen Situation fahre ich weiter nach Metz.
Innere Einkehr und Emotion
Bereits als ich in Metz nach meiner Unterkunft für die nächsten zwei Nächte suche, merke ich, wie es emotional in mir arbeitet. Letztes Jahr war ich um diese Zeit bereits in Wien, Budapest und Thessaloniki, jetzt grinst mir ein Autobahnschild mit der Aufschrift „Saarbrücken“ entgegen. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Irgendwie ist mir nach beidem zumute. Einerseits freue ich mich auf mein Zuhause, andererseits reise ich für mein Leben gern. Deshalb weiß ich schon jetzt: Mit der Weltenbummelei ist noch nicht Schluss, ich habe gerade erst angefangen.
Doch eins nach dem anderen. Schließlich will Metz auch mit voller Aufmerksamkeit entdeckt werden. Das Wetter bereitet mich zumindest schon mal auf den deutschen Winter vor, denn es nieselt ohne Unterlass. Kommt die lang ersehnte Sonne doch raus, schwitze ich mich kaputt. Oder flüchte in einen irischen Feinkostladen. Während ich noch im siebten Iren-Himmel schwebe, wundere ich mich, dass diese Produkte in Frankreich Abnehmer finden. Eigentlich hätte ich diese Nation anders eingeschätzt.
Im Geschäft tummeln sich dann auch nur einige Niederländer und Luxemburger. Als ich eine kleine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf ihre Preisgestaltung mit der Verkäuferin klären möchte, gelingt mir das ohne Probleme auf Französisch. Ich bin stolz und geschockt zugleich. Es dauert geschlagene fünf Minuten, bis mir der korrekte Satz auf Deutsch einfällt. Mein Gehirn springt immer wieder fröhlich zwischen Französisch, Spanisch, Katalanisch, Italienisch, Deutsch, Niederländisch sowie Englisch hin und her. Die paar Brocken Griechisch will ich ebenfalls nicht unerwähnt lassen.
Wieder Zuhause?
Schlussendlich ist mein Spaziergang durch Metz eine eigentümliche Erfahrung. Mein Gemüts- und Geisteszustand spiegelt sich in den Extremen der Stadt wider. Denn Metz vereint nicht nur moderne sowie historische Gebäude, sondern auch Armut mit Reichtum. Selten habe ich so viele Obdachlose auf einem Haufen gesehen. Während das für mich im südlichen Europa inzwischen (leider) zur Normalität gehört, macht es mich hier wütend. Interessant, wie das menschliche Gehirn funktioniert, oder? Noch habe ich mich aber meisterlich im Griff. Nachdem ich fünf Stunden ohne Pause Metz erkundet habe, bin ich wieder in meiner Unterkunft. Wo sich die Emotionen endlich Bahn brechen. Der Versuch, mir selbst zu folgen, scheitert kläglich. Letztendlich gehe ich müde ins Bett.
Meine Abfahrt aus Metz gestaltet sich ähnlich gefühlsgeladen. Glücklicherweise bin ich zu müde, um mich maßgeblich zu stressen. Während ich auf der einen Seite das Gefühl habe, jetzt endlich wieder nach Hause zu fahren, kommt in mir andererseits die Frage auf, wo Zuhause denn ist? Ich bin als Kind in verschiedenen Kulturen groß geworden, sodass mich diese Thematik eigentlich schon mein ganzes Leben lang begleitet. Denn seien wir mal ehrlich: In Deutschland und Südafrika aufzuwachsen, bringt zwangsläufig einige Unterschiede mit sich. Jedes Land hat dabei Vor- und Nachteile. Besser ist in der Regel keins. Und um auf die Frage nach dem Zuhause zurückzukommen: Ich entdecke überall neue Seiten von mir, weshalb ich mich fast überall heimisch fühlen kann.
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