Mykene – Troja hautnah
“Den Tod als Gewissheit. Geringe Aussicht auf Erfolg. Worauf warten wir noch?“
Gimli aus „Herr der Ringe“ (J.R.R. Tolkien)
Die Bezeichnung „Mykene“ sagt den meisten Menschen auf Anhieb wahrscheinlich nichts. Es handelte sich in der Vergangenheit um eine bedeutende Stadt, nach der sogar eine gesamte Kultur benannt wurde. Bei euch klingelt es immer noch nicht im Oberstübchen? Macht nichts. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind bis jetzt nur die geschichtsbegeisterten Zeitgenossen im Bilde.
Sobald man allerdings die Sage um Troja beziehungsweise das trojanische Pferd erwähnt, geht in der Regel jedem ein Licht auf. Mykene war der Sitz des Königs Agamemnon, dessen Bruder Menelaos nach Troja zog, um seine Frau Helena zurückzuerobern. Der sogenannte „Raub der Helena“ markierte angeblich den Beginn des trojanischen Krieges. Kein Wunder, dass ich unbedingt an diesen Ort muss. Glücklicherweise befindet er sich in der näheren Umgebung.
Große Erwartungen, die Mykene nicht enttäuscht
Bereits als ich an diesem Morgen aus meiner kleinen Parklücke ausparke, werde ich positiv überrascht. Die ältere Dame, die anscheinend zu dem Kiosk von nebenan gehört – ob sie die Besitzerin oder nur eine Angestellte ist, habe ich bis jetzt noch nicht herausgefunden –, steht plötzlich neben meiner Fensterscheibe und wedelt wie wild mit den Armen. Was habe ich denn jetzt schon wieder kaputtgemacht?
Es stellt sich schnell heraus, dass sie mir nur beim Ausparken helfen möchte. Und so, wie sie sich nun mit diversen Handzeichen ins Zeug legt, hoffe ich auf eine gute Nachbarschaft. Ich bin gerührt, dass sich ein fremder Mensch derart Mühe gibt, mir das Leben zu erleichtern. Nachdem ich mich mit ebenso ausladenden Gesten und einem „ευχαριστώ (lateinisches Alphabet: efcharistó)“ bei ihr bedankt habe, düse ich in meinem Auto davon. Es geht wieder in die Berge. Obwohl es mich normalerweise in die Nähe von Wasser zieht, kann ich mich an den Formationen des Hinterlandes ebenso wenig sattsehen.
Dann begehe ich einen folgenschweren Fehler: Ich drücke bei der eingelegten Disney-CD auf „Play“ und heule von jetzt auf gleich wie ein gottverdammter Schlosshund. Auch gut, irgendwann müssen sich der Kulturschock sowie das Heimweh ja auch mal bemerkbar machen. Laut meines Navigationsgeräts habe ich noch ein wenig Zeit, um abwechselnd die Landschaft zu bewundern und in Tränen auszubrechen. Ein Schild am Straßenrand mit der Aufschrift „Agamemnons Palast“ reißt mich schließlich aus meiner Trance.
Die Idee, mein Navi zu ignorieren, war eine denkbar schlechte. In der Regel erklärt es mir nämlich keinen Schwachsinn – außer, wenn ich mitten in einer Einbahnstraße wenden oder eine Abkürzung über das offene Meer nehmen soll –, sodass ich hätte wissen können, dass ich mich nicht auf dem Weg zur historischen Stätte befinde, wenn ich der lokalen Beschilderung folge. Das erfahre ich spätestens, als ich vor einem luxuriösen Hotel mit dem Namen „Agamemnons Palast“ zum Stehen komme. Na gut, dann eben alles auf Anfang. Mykene kann schließlich nicht so schwer zu finden sein.
Nachdem ich das Navigationsgerät neu programmiert habe, verläuft die weitere Fahrt fast ohne Probleme. Lediglich ein Hund, der sich mitten auf die Fahrbahn stellt und keine Anstalten macht, meinem Auto auszuweichen, bereitet mir kurzfristig Kopfzerbrechen. Insbesondere, da ich ihn hinter der Kurve viel zu spät gesehen habe. Reflexartig weiche ich aus und bin extrem erleichtert, dass mir auf der Gegenfahrbahn kein Fahrzeug begegnet. Mehr Glück als Verstand kann ich dazu nur sagen.
Besuch der historischen Stätte des antiken Mykene
Um zu dem Eingang zu Mykene beziehungsweise des archäologischen Areals zu gelangen, fahre ich einen Berg hinauf. Bei meinem Besuch in Epidauros war die Straße wesentlich touristenfreundlicher, dafür bietet sich mir hier bereits aus dem Auto ein beeindruckendes Bild. Mykene befindet sich anscheinend auf einem Hügel, eingebettet zwischen höheren Bergen. Bevor ich die Stätte im Detail bewundern kann, muss ich mich jedoch erst einmal mit anderen Touristen um einen Parkplatz prügeln (natürlich nur sinnbildlich).
An der Kasse kommt die nächste positive Überraschung des Tages, denn ich muss nur den Eintrittspreis für die Wintermonate bezahlen. Dadurch spare ich ungefähr zehn Euro. Gleich darauf stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein, da ich unfassbar friere. Aufgrund des in der letzten Zeit guten Wetters optimistisch gestimmt, habe ich nämlich auf meine Jacke verzichtet, was mir nun teuer zu stehen kommt. Ich suche erst einmal Zuflucht im kleinen Museum auf dem Gelände. Zumindest ist es dort warm und ich werde umfassend über die Geschichte der mykenischen Kultur informiert. Angeblich ist die mykenische Schrift sogar die älteste Variante der griechischen Schrift.
Als ich das Museum wieder verlasse, werde ich mit einem Hauch von Japan mitten in Mykene konfrontiert. Vor mir schreitet ein Paar in asiatisch anmutender Kleidung entlang. Zumindest gehe ich davon aus, dass es sich um japanische beziehungsweise asiatische Kleidungsstücke handelt. Meine Faszination wird jäh von dem Knurren meines Magens unterbrochen. Schnell krame ich einen Apfel aus meiner Tasche und mache mich auf den Weg den Hügel hinauf.
Während ich inmitten der antiken Ruinen stehe, erschafft meine Fantasie ihre ganz eigenen Bilder. Ich stelle mir vor, wie das Leben vor Hunderten von Jahren hier wohl gewesen sein mag. Abwechselnd bin ich ein König, der apfelessend durch seine Hallen schreitet, ein wichtiger Berater, der sich gerade einen kurzen Snack gönnt, oder eine Dienstbotin, die nicht mehr zu essen bekommt. Höchstwahrscheinlich haben meine Luftbilder wenig mit der vergangenen Realität zu tun, ich habe trotzdem Spaß.
Sobald ich mich an dem Ausblick, den man vom Palasthügel aus hat, sattgesehen habe, geht es wieder hinunter. Ich spaziere in Hügelgräber hinein, stelle mir Bestattungsriten vor und frage mich, wie die Person wohl war, die hier ihre letzte Ruhe gefunden hat. Außerdem mache ich mich bei den Katzen von Mykene beliebt. Sie scheinen Hunger zu haben und das einzige, was ich ihnen anbieten kann, sind die Bruschetta Teilchen aus dem Supermarkt in Ungarn. Hoffentlich bekommen sie davon keine Magenschmerzen.
Neuer Ansporn um Griechisch zu lernen
Nachdem ich mich sowohl von Mykene, als auch von der örtlichen Katzenpopulation verabschiedet habe, ist der Tag noch jung. Was fange ich denn mit dem Rest meiner freien Zeit an? Denn um ehrlich zu sein, habe ich nach meinem Ausflug in die Vergangenheit so gar keine Lust, noch zu arbeiten.Stattdessen setze ich mir neue Maßstäbe im Hinblick auf meine Griechischkenntnisse in den Kopf. Als eine geborene Perfektionistin würde ich diese Sprache am liebsten schon seit gestern fließend sprechen. Abgesehen von der Tatsache, dass ich ab und zu auch mal eine Pause brauche, sind meine Ansprüche oftmals sehr hoch gegriffen.
Anstatt mich weiter damit unter Druck zu setzen, die Sprache des heutigen und des antiken Griechenlands quasi über Nacht beherrschen zu wollen, kristallisiert sich für mich ein Ziel heraus: Ich möchte in der Lage sein, in einer Bäckerei oder einem Restaurant ohne größere Probleme etwas einzukaufen. Das sollte in drei Monaten trotz meines Jobs sowie diverser anderer Hobbys machbar sein. Obwohl ich immer wieder lese, dass Griechisch eine unfassbar schwierige Sprache sein soll, befasse ich mich den Rest des Tages fleißig mit einigen Apps, um meinen Grundwortschatz zu festigen. Das kann schließlich nicht so schwer sein!
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