Nafplio – Wo Regeln nicht viel gelten
„Keiner von uns kommt lebend hier raus. Also hört auf, euch wie ein Andenken zu behandeln. Esst leckeres Essen. Spaziert in der Sonne. Springt ins Meer. Sagt die Wahrheit und tragt euer Herz auf der Zunge. Seid albern. Seid freundlich. Seid komisch. Für nichts anderes ist Zeit.“
Anthony Hopkins
Die nächstgrößere Stadt in der Gegend ist Nafplio. Tolo liegt zwar näher, doch es hat meiner Ansicht nach außer seinem preisgekrönten Strand nicht viel zu bieten. Der Standort des antiken Asini ist das, was einer historischen Stätte anscheinend dort am nächsten kommt. Hinzu kommt, dass Nafplio sowohl eine der schönsten Städte Griechenlands sein soll, als auch vormalig die Hauptstadt des Landes gewesen ist. Außerdem ist es bei Touristen vergleichsweise unbekannt. Ein bayrischer Prinz, der als König von Griechenland fungieren sollte, ist angeblich mit dem Schiff auch in Nafplio gelandet.
Selbstverständlich muss ich mir diesen geschichtsträchtigen Ort einmal ansehen. Da er nicht weit von meinem Zuhause in Griechenland entfernt ist, besuche ich ihn sogar mehrmals. Abgesehen von der wunderschönen Altstadt, fällt mir dabei vor allem die Burganlage, die über Nafplio thront ins Auge. Nach einer kurzen Recherche im Internet wird sie mein erstes Ziel. Generell verbringe ich in den drei Monaten in Griechenland meine Zeit gerne in der Stadt und ich kann gut nachvollziehen, was ihren Charme ausmacht.
Die Festung Palmidi in Nafplio
Auf meinem Weg nach Asini, sehe ich in der Ferne bereits die Ausläufer der Stadt Nafplio. Hoch über ihr liegt im Dunkel der Nacht eine beeindruckende, befestigte Anlage, die aufgrund einer fest installierten Beleuchtung ideal in Szene gesetzt worden ist. Da die Öffnungszeiten jedoch keine Besuche in den späten Abendstunden mit einschließen, werde ich mich wohl oder übel mit einem Sightseeing-Ausflug am Tag begnügen müssen.
Ich parke in Nafplio unweit des Hafens und gehe schnurstracks auf die Burg zu, welche auf den Namen „Palmidi“ hört. Die einheimischen Griechen scheinen sie schon gar nicht mehr zu bemerken und auch ich muss zugeben, dass sie bei Nacht viel imposanter wirkt. Damit tue ich der Festung oberhalb von Nafplio allerdings Unrecht. In dem strahlenden Licht der Sonne Griechenlands erkennt man selbst aus einer großen Entfernung die beeindruckenden Ausmaße der Burganlage.
Bereits als ich in Asini aufgebrochen bin, war ich mir sicher, dass ich den Fußweg hoch zur Festung nehme. Man kann zwar ebenfalls direkt quasi bis vor die Haustür der ehemaligen Burg fahren, doch wo bliebe denn da der Spaß? Am Fuße der Treppen, die sich seitlich am entsprechenden Berg, auf dem die Anlage errichtet worden ist, hinaufschlängeln, muss ich schließlich doch schlucken. Knapp 1.000 Stufen erwarten mich. Es ist heiß und ich habe natürlich kein Wasser eingepackt, um mich unterwegs zu erfrischen. Wird schon schiefgehen.
Auf der Hälfte der Strecke bin ich kurz vorm Kollaps. Meine Beine brennen wie Feuer. Ich war noch nie unsportlich, doch in diesem Ausmaß am Stück Treppen zu steigen, mache ich auch nicht alle Tage. Während ich wieder zu Atem komme, genieße ich die weitläufige Aussicht über den argolischen Golf und die Stadt Nafplio. Wie es wohl erst von oben aussehen wird?
Im Inneren der Burg Palmidi
Sobald ich durch das Tor in die Eingeweide der Festung Palmidi eintauche, beschleicht mich ein Verdacht – wahrscheinlich habe ich soeben den größten historischen Spielplatz für Erwachsene betreten, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Die venezianische Festung ist noch viel weitläufiger, als es von außen den Anschein hat. Ich bin überrascht, dass die Burg erst ein paar hundert Jahre alt ist. Sie besteht aus mehreren Bastionen, die ich nun ausgiebig erkunde.
Ironischerweise fühle ich mich vor allem in dem ehemaligen Gefängnis des Areals am wohlsten. Und wieder macht sich meine Phantasie selbstständig: Ich versetze einfach mal die Szenerie des Filmes „Papillon„, gespickt mit ein paar Anekdoten aus Mittelalterfilmen, in eine venezianische Festung des achtzehnten Jahrhunderts – man gönnt sich ja sonst nichts. Weder unbefestigte Wege, noch chinesische Touristen können meinem Tagtraum etwas anhaben.
Die verborgenen Ecken von Nafplio entdecken
Aufgrund der Tatsache, dass für die Festung nun die Öffnungszeiten der Wintersaison gelten, steige ich am frühen Nachmittag die Stufen bereits wieder hinunter. Ich habe unfassbaren Durst und sehe mich nach einem kleinen Supermarkt um. Prompt lande ich in einer Art Tante-Emma-Laden, dessen Besitzerin umgehend mit mir eine Konversation beginnt. Dass ich kein Griechisch spreche, scheint sie nicht zu interessieren.
Dankbar für die Erfrischung, verlasse ich das kleine Geschäft wieder. Eine Bäckerei schräg gegenüber fällt mir ins Auge. Erst in diesem Augenblick fällt mir auf, dass ich seit meinem eher kargen Frühstück nichts mehr gegessen habe. Wie aufs Stichwort, fängt mein Magen nun an zu knurren. Kurzentschlossen stürze ich in den Laden, aus dem mir ein herrlicher Duft entgegenströmt. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Und es kommt, wie es kommen muss: Ich gebe viel zu viel Geld für griechische Spezialitäten aus.
Während ich mir noch Gedanken darüber mache, was genau ich in meinem Kauf- beziehungsweise Fressrausch nun alles erstanden habe, schlendere ich hinunter zur Promenade, um die lokalen Segelschiffe zu bewundern. Immerhin wurde mir versichert, dass ich die Kekse und Küchlein nicht im Kühlschrank aufbewahren muss. Der ist nämlich sowieso eher klein geraten.
Am Ende des Hafenbeckens angelangt, stehe ich vor einem verschlossenen Tor. Neben mir geht ein Bodybuilder seinem Sportprogramm nach, während in dem Natur-Schwimmbecken unter mir einige Wasserratten ihre Runden drehen. Als ich gerade umkehren möchte, sehe ich, wie eine Familie kurzerhand um das verschlossene Tor herumklettert. Eine Sekunde brauche ich, um mich zu entscheiden, dann folge ich ihnen und werde zum Abschluss des Tages mit einem Spaziergang direkt an den Klippen sowie einem beeindruckenden Panorama belohnt.
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