Tankstelle in Asini

Asini: Auch ein ramponiertes Auto fährt noch

„Das Leben ist einfach. Es sei denn, man macht es kompliziert.“

Lea Hennrich

Die Abfahrt aus Thessaloniki dauert zwar ziemlich lange, da ich die letzten Ausläufer des Berufsverkehrs zu spüren bekomme, aber ich passe mich erstaunlich schnell an den Fahrstil an. Die fahren hier alle ziemlich halsbrecherisch, gleichzeitig macht diese Fahrweise irgendwie auch Spaß. Hoffentlich komme ich heil in Asini an. Zumindest begegne ich einigen Autofahrern, die sich sehr sozial verhalten. Anscheinend hat ein ausländisches Nummernschild doch Vorteile.

Parken in Griechenland
Parken in Griechenland

Prinzipiell scheinen die meisten Griechen aber nicht zu wissen, wozu ein Blinker da ist, wenngleich sie die Warnblinkanlage gerne beziehungsweise zu allen erdenklichen Möglichkeiten einsetzen. Mal kurz am Straßenrand halten, um sich in einem Laden einen Kaffee zu holen? Ja klar. In zweiter Reihe stehenbleiben, damit man durch das offene Fenster ein Schwätzchen halten kann? Aber selbstverständlich. Zudem gilt im griechischen Straßenverkehr anscheinend prinzipiell das Motto „Wer bremst, verliert“ oder „Der frechste Autofahrer hat Vorfahrt“. Verkehrsregeln sind generell als Empfehlung zu betrachten.

Eine ereignisreiche Fahrt nach Asini

Landschaft in Zentralgriechenland
Landschaft in Zentralgriechenland

Ich entscheide mich für die Route über Patras und nicht die, die via Athen nach Asini führt, weil ich mir davon eine stressfreiere Fahrt erhoffe. Unter anderem möchte ich die Rushhour im Großraum Athen umgehen und allgemein einfach keine Probleme haben. Aus diesem Grund führt mich mein Weg durch Zentralgriechenland, wo ich aus dem Staunen nicht mehr herauskomme. Das Gebirge, durch das ich fahre, ist nicht nur wunderschön, sondern von einer Vielzahl von Tunneln durchzogen.

Dem Ruf der Natur nachgebend, halte ich auf einem Rastplatz und bin überaus dankbar, dass sich dort ein befestigtes Toilettenhäuschen befindet. Ansonsten ist es um mich herum menschenleer. Fast schon stürze ich durch die Tür der Toilette. Dann bleibe ich wie angewurzelt stehen. Vor mir befindet sich ein Loch im Boden. Ein stilles Örtchen, bei dem man gleichzeitig die Beinmuskeln trainiert: Bis jetzt kannte ich diese Variante nur aus Marokko.

Toilette auf einem Rastplatz
Toilette auf einem Rastplatz

Als ich das Gebäude wieder verlasse, stehen auf dem Parkplatz drei Autos mit albanischen Kennzeichen. Daneben befindet sich jeweils mindestens ein muskelbepackter Bodybuilder. Alle sehen mich mit einem Blick an, als würden sie mich zum Abendessen verspeisen oder an Ort und Stelle ausziehen wollen. Bereits als Kind habe ich Kampfsport gemacht und vor kurzem auch wieder damit angefangen. Deshalb gehe ich seelenruhig zu meinem Auto, von wo aus ich die Kerle im Blick habe, und mache einige Übungen.

Wenn die ihr mangelndes Selbstbewusstsein bei mir kompensieren wollen, sind sie falsch. Nacheinander steigen sie in ihre Fahrzeuge und fahren mit einem offensichtlich enttäuschten Gesichtsausdruck davon. Zufrieden sowie grinsend, steige ich nun selbst in mein Auto. Auf der Weiterfahrt sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sich eine schlohweiße Spinne versucht sich von der Autodecke auf meine Schulter abzuseilen. Da mir das Vieh aufgrund seiner Farbe suspekt ist, drossele ich die Geschwindigkeit und öffne das Fenster.

Danach greife ich mit der Hand nach dem Tier. Unglücklicherweise erwische ich genau in dem Moment auch noch ein Schlagloch. Das ohrenbetäubende Kreischen zu meiner Rechten erschreckt mich komischerweise gar nicht. Seelenruhig steuere ich mit beiden Händen am Lenkrad mein Auto die Straße entlang. Es hat anscheinend gerade ausgiebig Bekanntschaft mit der Leitplanke gemacht. Da es dahinter steil abwärts geht, nehme ich die von mir gewählte Alternative gerne an. Die Spinne ist vollkommen vergessen.

Nachdem ich mein Auto der Leitplanke vorgestellt habe
Nachdem ich mein Auto der Leitplanke vorgestellt habe

Obwohl es mich in den Fingern juckt, mir den Schaden an meinem Fahrzeug anzusehen, fahre ich erst einmal weiter. Zumindest sind sowohl die Außenspiegel als auch alle Räder noch dran. Wenn ich jetzt allerdings aussteige, fahre ich wahrscheinlich wegen des Schocks heute keinen Meter mehr, geschweige denn nach Asini. Nach einer halben Stunde stelle ich mein Auto an einer Tankstelle ab und begutachte die Misere.

Ein kurzer Anruf bei meinem Versicherungsmakler bestätigt mir, dass ich für den Schaden selbst aufkommen muss. Bekannte in Deutschland schätzen ihn zudem auf 2.000 bis 4.000 Euro. Und das einzige, woran ich denken kann, ist, dass es viel schlimmer hätte sein können. Seit wann bin ich so gechillt? Auch die Scheinwerfer sehen noch intakt aus. Ein Fahrzeug in diesem Zustand scheint in Griechenland nichts Ungewöhnliches zu sein, denn der Tankwart verzieht keine Miene als er die Dellen und Kratzer sieht.

Die ersten Tage in meinem Zuhause auf Zeit

Meine Reise nach Asini nähert sich dem Ende und das ist aufgrund meiner Nutzung der Mautstraßen auch gut so. Insgesamt bin ich bestimmt mehr als 60 Euro losgeworden. Am teuersten war die Brücke bei Patras, die das griechische Festland mit der Peloponnes verbindet. Gleichzeitig ist die Überfahrt ihr Geld allemal Wert: Die Aussicht ist einfach nur atemberaubend! Ich widerstehe nur mit großer Mühe dem Impuls, auf der Fahrbahn anzuhalten und ein Foto zu machen.

Halt auf der Fahrt nach Asini
Halt auf der Fahrt nach Asini

Als die Nacht hereinbricht, zeigt sich ein Blutmond und ich spreche an einer griechischen Mautstation mein erstes griechisches Wort, nämlich „καλησπέρα“ („Kalispéra“). Das bedeutet „Guten Abend“. Ich bin einfach nur stolz auf mich, da das erste Wort in einer Fremdsprache für mich meistens ebenfalls das schwierigste darstellt. Die Straßen, über die ich nun fahre, würden in Deutschland oder in Wien beziehungsweise Österreich höchstens als bessere Feldwege gelten. Während im Norden noch das Schild „Vorsicht Bären“ zu sehen war, begegnen mir hier am Straßenrand nur einige Füchse.

Als ich in Asini ankomme, muss ich erst einmal mit der Tochter meiner Vermieter kommunizieren, denn ein gelbes Haus mit blauen Fensterläden finde ich nicht. Eine konkrete Adresse scheint ebenfalls nicht zu existieren. Nach einer kurzen Zeit, holen mich ihre Eltern an der örtlichen Tankstelle (siehe Beitragsbild) ab und zeigen mir mein zukünftiges Zuhause für die nächsten drei Monate. Es liegt direkt an der Hauptstraße in einer Kurve, unweit der Dorfkirche.

Hauptstraße von Asini bei Regenwetter
Hauptstraße von Asini bei Regenwetter

Der Müll wird draußen in einem Container auf der Straße gesammelt und das Toilettenpapier kommt nicht in die Toilette, weil sonst die Leitungen verstopfen. Ist das ein allgemeines Phänomen? Nach einer vergleichsweise kurzen Nacht merke ich, dass die Hauptstraße von Asini morgens nicht unbedingt leise ist. Ich entscheide mich daher für einen Gang zum Supermarkt. Davon gibt es in Asini neben einer Bäckerei und einem Kiosk sogar zwei Stück.

Leider scheinen in diesem Ort die wenigsten Menschen Englisch zu sprechen, sodass ich aus Versehen – da ich die griechische Schrift noch nicht lesen kann – statt Olivenöl Apfelessig kaufe. Ich mache mir eine gedankliche Notiz im nahegelegenen Nafplio den lokalen Lidl aufzusuchen, vielleicht finde ich mich in dessen Sortiment etwas besser zurecht, weil mir die Produkte bekannt sind.

Funkwecker mit griechischen Ziffern
Funkwecker mit griechischen Ziffern

Trotz einer eher eingeschränkten Verständigung, sind die Menschen allesamt sehr herzlich. Meine Vermieter helfen mir sogar bei der Suche nach einer Autowerkstatt, die mein Auto zu einem moderaten Preis wieder zusammenflickt. Mehrere hundert Euro direkt im ersten Monat auszugeben, war trotzdem nicht Teil meines Plans. So viel zu meinen Ersparnissen. Da die Reparatur eine Weile dauern wird, lasse ich mein Auto in der Werkstatt. Diese hat noch nicht einmal eine konkrete Adresse, allerdings bringt mich der Besitzer zurück nach Asini. Ob ich mein Fahrzeug jemals wiedersehe?

Da die Reparatur ein paar Tage in Anspruch nimmt, laufe ich zur Akropolis von Asini, die auf der Halbinsel Kastraki liegt und mit dem Ort, der von dem antiken Dichter Homer erwähnt wird, identisch sein soll. Für nur drei Euro Eintritt verbringe ich fast einen gesamten Tag auf dem Areal. Abgesehen von den unterschiedlichen Ausgrabungsstätten, ist vor allem die Aussicht atemberaubend. Genau in dem Moment, als ich die Stätte verlasse, klingelt mein Telefon. Mein Auto sei fertig. Der Werkstattbesitzer holt mich sogar direkt beim antiken Asini ab. Ein Bus fährt hier nämlich höchst selten, hat man mir erklärt.

Ausblick auf die Ausgrabungen im antiken Asini
Ausblick auf die Ausgrabungen im antiken Asini

Als ich mein Auto sehe, bin ich einfach nur hin und weg. Zwar werden im Laufe des Jahres wahrscheinlich noch mehr Kratzer hinzukommen, doch zumindest ist es nicht mehr in so einem desolaten Zustand. Bis auf eine kleine Delle, ist es fast wie neu. Um den Tag ausklingen zu lassen, fahre ich wieder nach Asini zurück. Dort habe ich plötzlich beim Aussteigen den Griff meiner Autotür in der Hand. War ja klar, dass mein fahrbarer Untersatz schnell wieder Zicken macht. Immerhin ist der Türgriff noch dran, damit kann ich arbeiten.

Weitere Impressionen aus dem antiken Asini

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