Vic – Ein schmerzhaftes Willkommen in Spanien
„Ein bekannter Spruch lautet: ‚Wenn du denkst, es geht nicht mehr, dann kommt irgendwo ein Lichtlein her.‘ Tja, meinte der Philosoph, manche Menschen brauchen aber schon mal mindestens das Licht eines 1000-Watt-Halogenscheinwerfers …“
Wolfgang J. Reus
Langsam aber sicher, stellt sich bei mir eine gewisse Grundgenervtheit ein. Diese liegt vor allem an den steigenden Temperaturen in Kombination mit den nächtlichen Unternehmungen meiner Nachbarn: Bis teilweise vier Uhr morgens herrscht in meiner Nachbarschaft in Narbonne Hochbetrieb. Anschließend beginnt bereits um sieben Uhr wieder der normale Alltag. Ich frage mich regelmäßig mit steigender Verzweiflung, wie diese Südländer das anstellen. Denn ich kann weder mittags noch bei Lärm besonders gut schlafen – Es sei denn, ich bin vollkommen fertig. Dann wird die Arbeit allerdings zur Tortur.
Dementsprechend fiebere ich meinem Aufbruch nach Katalonien entgegen. Bevor es nach Vic im Landesinneren geht, mache ich eine Nacht in Roses Halt. Davon erhoffe ich mir eine entspannte Zeit am Mittelmeer, um meinen Körper langsam an die Hitze in Spanien zu gewöhnen. Diese ist nämlich noch einmal extremer als im Süden Frankreichs. Bereits bei der Autofahrt nach Roses schnappe ich nach Luft – Es ist so heiß, dass meine fast vollkommen aufgedrehte Klimaanlage die Luft so gut wie gar nicht mehr kühlt. Wie soll das erst in Vic werden? Dort ziehe ich in eine WG im dritten Stock.
Wenn der Körper überhitzt
In Roses angekommen freue ich mich über die Vielzahl an kostenlosen Parkplätzen. Leider liegen diese vergleichsweise weit ab vom Schuss, sodass ich eine halbe Stunde in der Mittagshitze laufen muss. Vor lauter Unkonzentriertheit vergesse ich auch noch prompt mein Navi im Auto. Das hätte mir bereits zu denken geben müssen. Auch, dass ich für die Strecke knapp 30 Minuten brauche und mehrmals nach Luft ringe. Sobald ich auf meinem Zimmer bin, esse ich noch kurz etwas. Danach will ich es eigentlich gemütlich angehen.
Doch mein Körper haut nach einer Stunde komplett die Bremse rein. Nichts geht mehr. Ich kann weder klar denken, noch irgendeine Aktivität beziehungsweise Position finden, in der ich mich ansatzweise entspannen kann. Neben extrem verspannten Muskeln, Kreislaufproblemen und einem Schwindelgefühl, habe ich zudem unfassbaren Durst. Wie ferngesteuert trinke ich schließlich auch fast einen Liter Wasser in einer Viertelstunde. Dass das keine gute Idee ist, denke ich mir da bereits. Doch richtig deutlich wird das Ganze, als ich circa zwei Stunden mitten in der Nacht über der Kloschüssel verbringe – Ja, auch Wasser kann einem wieder hochkommen.
Eine ländliche Studentenstadt unweit der Pyrenäen
Nach einer mehr als unruhigen Nacht breche ich schließlich nach Vic auf. Irgendwann bin ich schließlich einfach vor Erschöpfung eingeschlafen und fühle mich daher zumindest ein klitzekleines bisschen ausgeruht. Ich möchte nicht mehr sterben. Während der Autofahrt achte ich penibel darauf, meinem Körper genügend Flüssigkeit zuzuführen. Das geht bis zu meiner Ankunft in Vic im Vergleich zu gestern auch gut. Dort warte ich anschließend eine halbe Stunde in der prallen Sonne auf meine Vermieterin und schleppe mein Gepäck mehrere Blocks in der Mittagshitze. Parken ist auch hier Glückssache.
Außerdem ist mein erster Eindruck eher ernüchternd. Vic liegt zwar in einer Ebene, die von grünen Hügeln umschlossen wird und es hat auch einen eher ländlichen Charme, doch in meinem Viertel höre ich mehr afrikanische Sprachen als Spanisch. Die Blicke der männlichen Bevölkerung mit afrikanischem Hintergrund sind zudem sehr unangenehm. Das kann ja heiter werden. Zumindest ist mein Mitbewohner aus Belgien nett und ich kann mich nach einer Dusche erst einmal hinlegen.
Duschen werde ich hier wohl häufiger, denn beim Auspacken meiner Habseligkeiten breche ich bereits in Schweiß aus. Kein Wunder: Draußen sind es 38 bis 40 Grad. Im Hinblick auf die Sprache muss ich mich anscheinend in Vic ebenfalls umgewöhnen: Mit Katalanisch kommt man hier erheblich weiter als mit Spanisch (Nein, Katalanisch ist kein spanischer Dialekt). Trotzdem liegt es nicht an der Sprache, dass ich eher selten die Wohnung verlasse. Einerseits machts mir die Hitze zu schaffen. Andererseits spielt sich das Leben hier in den späten Abendstunden ab. Da möchte ich nur ungern durch mein Viertel laufen.
Irgendwann fällt mir schließlich doch die Decke auf den Kopf. Ich muss unbedingt mal raus. Bei einem Blick auf die Karte sehe, ich, dass sich in der Nähe von Vic einige Naturschutzgebiete befinden. Ich entscheide mich für das „Sau Reservoir“. Aus dem angestauten Wasser, in dem sich neben Kajakfahrern außerdem zahlreiche Schwimmer tummeln, ragen die Überreste eines Kirchturms hervor. Das sieht man auch nicht alle Tage. Da Wanderungen alleine leider flachfallen (so vorsichtig bin ich dann doch), breche ich einige Tage später in die Stadt Manresa auf. Pünktlich zur Siesta komme ich dort an. Nach einem Spaziergang in der Mittagshitze mache ich mich deshalb wieder auf den Heimweg.
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