Meteora Kloster in Kalambaka

Asini 2.0: In Kalambaka Weihnachten feiern

„Heimat ist nicht dort, wo man herkommt, sondern wo man sterben möchte.“

Carl Zuckmayer

Eines schönen Tages, das Wetter ist gerade schlechter geworden, stehe ich in meiner kleinen Küche und backe Weihnachtsplätzchen. Dabei mache ich mir Gedanken, wo ich die Weihnachtsfeiertage verbringen möchte. Denn mir graut es davor, alleine in meiner Wohnung zu sitzen. Ein Hotel in einer fremden Stadt scheidet demnach auch aus, wobei mir Sightseeing als Option gar nicht mal so schlecht vorkommt. Wahrscheinlich ist ein Hostel beziehungsweise eine Jugendherberge eine gute Idee.

Asini aus der Vogelperspektive
Asini aus der Vogelperspektive

Doch wo soll es hingehen? Spontan muss ich an die Meteora Klöster in Kalambaka denken. Von der Stadt Kalambaka habe ich zwar noch nie gehört, da sie bei Weitem nicht so bekannt ist wie zum Beispiel Thessaloniki, die Meteora Klöster zählen hingegen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Ich mache mir eine mentale Notiz, mich frühzeitig um eine Unterkunft zu kümmern und die Reiseroute mit dem Auto entsprechend zu planen. Meine Gedankengänge werden jäh von einer Sprache unterbrochen, die ich als Englisch identifiziere, jedoch ohne griechischen Akzent.

Neue Nachbarn aus Polen

Neugierig öffne ich mein Küchenfenster. Ich versuche diesen Akzent einzuordnen und lege mich letztendlich auf Niederländisch fest. Wie sich eine kurze Zeit später herausstellt, liege ich vollkommen falsch. Meine Nachbarn auf Zeit sind nämlich Polen. Wie kann ich denn eine slawische Sprache mit einer germanischen Sprache verwechseln? Im Gespräch mit den drei Männern bemerke ich jedoch schnell, dass sie auch sehr passabel Englisch sprechen, was mich freut. Vielleicht habe ich endlich Gesellschaft gefunden, mit der ich mich fließend unterhalten kann.

Denn obwohl meine Griechischkenntnisse langsam aber stetig zunehmen, sind sie trotzdem noch sehr eingeschränkt. Erfindungen wie Whatsapp oder E-Mail ermöglichen es mir zwar mit anderen Deutschen in Kontakt zu bleiben, gleichzeitig vermisse ich einen tiefergehenden zwischenmenschlichen Austausch von Angesicht zu Angesicht. Deshalb sind schließlich auch meine Weihnachtspläne bezüglich Kalambaka entstanden.

Die Tatsache, dass ich nun ebenfalls regelmäßig in Asini auf den Berg „Profitis Elias“ jogge, hilft zumindest ein wenig bei der Eingewöhnung im Ort. Wie gut mir allerdings ein Abend mit anderen Menschen tut, erfahre ich, als mich meine polnischen Nachbarn einladen, was sich im Laufe der Zeit ein paar Mal wiederholen wird. Das Klischee, dass Polen durchweg trinkfest sind, scheint zumindest auf den ersten Blick zu stimmen. Einen Kater bekommen sie trotzdem ab und zu. Mich erwischt es jedoch schlimmer.

Blick aufs Meer von der Spitze des Profitis Elias
Blick aufs Meer von der Spitze des Profitis Elias

Mit manchen Dingen hätte ich jedoch so nicht gerechnet. Alle drei sind ausgesprochen höflich. Ich habe mich in der Gegenwart von fremden Männern noch nie so wohl gefühlt. Dabei verstehe ich kein Wort, wenn sie sich auf Polnisch unterhalten. Sie könnten also ohne Weiteres auch meinen Mord planen und ich würde lächelnd sowie nickend danebenstehen. Zum Glück erwische ich sozial angepasste Exemplare der menschlichen Spezies. Am Ende gibt mir sogar einer der Herren privaten Salsa-Unterricht.

Internationale Weihnachtsfeiertage in Kalambaka

Nachdem meine nun polnischen Freunde wieder abgereist sind, bereite ich mich auf meine Reise nach Kalambaka vor. Das schließt auch die Vorbereitungen für die Weihnachtszeit im Allgemeinen ein. Ich schreibe ein paar Postkarten, die ich quasi als kleinen Ersatz für Weihnachtsgeschenke versenden möchte. Glücklicherweise habe ich keine expliziten Weihnachtsgrüße gewählt, denn bei dem Chaos auf der griechischen Post Anfang Dezember schwant mir Böses. Mit viel Glück kommen die Karten überhaupt an.

Weihnachtsdeko auf dem Dorfplatz
Weihnachtsdeko auf dem Dorfplatz in Asini

Die eigentliche Fahrt nach Kalambaka ist schließlich ziemlich surreal. Ich breche am Morgen des 24. Dezembers 2021 auf. Normalerweise wäre ich jetzt in einer ausgelassenen Weihnachtsstimmung. Die möchte bei strahlendem Sonnenschein und gefühlten fünfzehn Grad aber irgendwie nicht so recht aufkommen. Da ich mir wieder die Landschaft ansehen möchte, entscheide ich mich gegen die Mautstraßen. Und ich werde nicht enttäuscht. Sobald ich die Straße am Meer verlasse, sehe ich neben mir schneebedeckte Berge.

Vollkommen erschöpft komme ich schließlich nach ungefähr acht Stunden Fahrt bei circa 450 zurückgelegten Kilometern in Kalambaka an. Die Straßenverhältnisse in Griechenland sind definitiv nicht mit denen in Deutschland vergleichbar. Kaum habe ich das Hostel betreten, stehe ich inmitten eines festlichen Weihnachtsessens. Ohne viel Federlesen laden mich die fünf Franzosen, zwei Amerikaner und ein weiterer Deutscher ein, mich zu ihnen zu setzen.

Schneebedeckte Berge aus der Nähe
Schneebedeckte Berge aus der Nähe

Nach dem internationalen Festmahl geht es zum griechischen Gottesdienst. Ich bin zwar sehr kirchenkritisch eingestellt, möchte mir diese Gelegenheit jedoch nicht entgehen lassen. Der Gesang in der Kirche erinnert mich eher an die Rufe eines Muezzins. Perplex beobachte ich die örtliche Heiligenverehrung. Nacheinander betreten die Gläubigen aus Kalambaka den Raum und küssen die aufgestellten Bildnisse diverser Heiliger. Dabei lassen sich alle Varianten beobachten:

  1. Der Kuss ohne Maske
  2. Die einfache Bekreuzigung ohne Kuss
  3. Der Kuss mit Maske

Am nächsten Morgen bin ich mit dem anderen Deutschen aus dem Hostel verabredet. Wir entscheiden uns für den Fußpfad in die Berge, um zu den Meteora Klöstern zu gelangen. Es tut unfassbar gut, endlich mal wieder Deutsch zu sprechen. Leider habe ich keine Wanderschuhe mitgenommen und laufe mir in meinen Winterschuhen bereits nach wenigen Metern äußerst schmerzhafte Blasen. Doch anstatt umzukehren beiße ich die Zähne zusammen, da ich wahrscheinlich nie wieder in meinem Leben nach Kalambaka zurückkehren werde. Diese Chance lasse ich mir nicht entgehen.

Ausblick auf ein paar der Meteora Klöster
Ausblick auf ein paar der Meteora Klöster

Schnell bemerke ich, dass die Meteora Klöster auch bei den Griechen als Ausflugsziel sehr beliebt sind. Es tummeln sich viele Menschen auf dem Hügelkamm und der lokalen Straße, die die fünf besuchbaren Standorte miteinander verbindet. Immer wieder sieht man in den Bergen ebenfalls Gebäude, die längst verfallen sind, weil sich die Instandhaltung wohl nicht mehr lohnt. Für mich ist es ein wenig gewöhnungsbedürftig, dass man als Frau beim Besuch der Klöster entweder einen Rock, eine Schürze oder eine lange Jacke tragen muss, um den Anschein der traditionellen Rollenverteilung zu wahren.

Der Rückweg aus Kalambaka

Aufgrund meiner wunden Füße verbringe ich den Rest meiner Zeit in Kalambaka im Hostel. Außerdem habe ich sowohl meine Zahnbürste als auch mögliche Essensvorräte in Asini vergessen, sodass ich bei meiner Abfahrt am 27. Dezember ziemlich müde beziehungsweise hungrig bin. Weil ich zudem bei der geltenden Maskenpflicht vollkommen den Überblick verloren habe, behelfe ich mir mit Müsliriegeln und Kakaodrinks, die ich noch im Auto habe, anstatt ein Restaurant aufzusuchen. An sich verläuft die Rückfahrt von Kalambaka nach Asini ohne größere Probleme, bis ich kurz nach Korinth einen lauten Knall höre.

Vierbeinige Gesellschaft in Kalambaka
Vierbeinige Gesellschaft in Kalambaka

Mein Fahrzeug beginnt zu ruckeln und ich lasse es langsam am Straßenrand ausrollen. Allmählich setzt die Dämmerung ein. Ich steige aus, gedanklich schon auf das Schlimmste vorbereitet. Mein linker Vorderreifen ist platt. Einen Ersatzreifen habe ich natürlich nicht. Außerdem stehe ich sprichwörtlich am Arsch der Welt. Innerlich fluchend sehe ich mich um. Auf der anderen Straßenseite befindet sich eine Tankstelle beziehungsweise die Ruine davon. Dort brennt Licht. Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache, doch in der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen.

In der ehemaligen Tankstelle lebt nun eine Familie. Ich treffe die beiden Söhne und deren Mutter an. Sie können vergleichsweise gut Englisch, sodass ich meine Notlage schnell zusammengefasst habe. Nachdem sie sich das Malheur angesehen haben, wird wild in der Gegend herumtelefoniert, denn die örtliche Werkstatt hat natürlich wegen der Feiertage zu. Es findet sich dann doch noch jemand, bei dem ich einen Ersatzreifen bekommen könnte.

Der Innenhof eines Meteora Klosters
Der Innenhof eines Meteora Klosters

Ich werde bei der Mutter der beiden im Wohnzimmer vor dem Kamin geparkt, während sie sich daran machen, den platten Reifen von meinem Auto zu trennen. Hoffentlich kommen die mit meinem Autoschlüssel auch wieder und haben allgemein nichts Böses im Sinn. Mir werden Weihnachtsplätzchen angeboten, die ich dankend annehme. Anschließend geht es in einer wilden Fahrt ins nächste Dorf. Dort soll angeblich mein Reifen repariert werden, was auch innerhalb einer halben Stunde tatsächlich passiert.

Erleichtert und fast euphorisch verabschiede ich mich von den beiden Männern. Inzwischen ist es dunkel und ich kann weiterfahren. Als ich in Asini ankomme, macht sich der Stress der letzten Tage – gepaart mit dem vorhandenen Heimweh – doch bemerkbar. Passenderweise fällt zusätzlich zuerst der Strom kurz aus und anschließend kommt nur kaltes Wasser aus der Dusche. An sich habe ich das bereits häufiger erlebt. Ich bin nur fasziniert, dass es zu den ungünstigsten Zeitpunkten passiert. Einen Tag später liege ich krank im Bett, wo ich auch den Start des neuen Jahres verbringe.

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