Patras: Stadtführung der etwas anderen Art
„Die Bilder vom roten Teppich haben keine Unterschriften wie, „Dieses Mädchen hat zwei Wochen trainiert, Diät gemacht, hat professionelle Friseure und Stylisten und das Kleid ist maßgeschneidert.“ Ich wünschte, dort würde stehen, „Das ist nicht die Realität.““
Emilia Clarke
Mit gemischten Gefühlen stehe ich an diesem Morgen auf. Meine Koffer sind gepackt, daneben stapeln sich meine Rucksäcke und die Winterjacken. Heute fahre ich von Asini nach Patras, um nach einem Aufenthalt in der Stadt die Fähre von Patras nach Ancona zu nehmen. An sich soll Patras eine Hafenstadt sein, deren Schönheit im Verborgenen liegt. In der Regel wird sie wohl nur als Durchgangsstation angesehen.
Obwohl ich gerne eine reguläre Sightseeing-Tour unternehmen würde, weiß ich jetzt schon, dass daraus nichts werden wird. Meine Prioritäten sind von Vornherein klar, denn ich brauche für den Zutritt zur Fähre einen PCR Test, der nicht älter als 48 Stunden ist. Die Tatsache, dass meine Fährgesellschaft die Abfahrt anscheinend nach Lust und Laune verschiebt, ist bei der Planung natürlich alles andere als hilfreich. Trotzdem freue ich mich auf meine Zeit in Patras, die mir die Möglichkeit gibt, die Stadt zumindest etwas besser kennenzulernen.
Der Weg nach Patras
Ich habe mir den Abschied von Asini weitaus einfacher vorgestellt. Als ich meiner ehemaligen Vermieterin die Schlüssel übergebe und durch die nun auffallend leere Wohnung gehe – was ein bisschen Kleidung und Koffer beziehungsweise Rucksäcke doch ausmachen können – spüre ich einen Kloß im Hals. Dieser wird noch größer, als ich meinen Hundebegleiter direkt vor meinem Auto liegen sehe. Glücklicherweise trollt er sich in einem unbeobachteten Augenblick. Ansonsten hätte ich wirklich Rotz und Wasser geheult.
Stattdessen steige ich in mein Fahrzeug, verdrücke eine Träne und konzentriere mich auf die Straße. Kurz darauf stellt sich auch schon eine gewisse Vorfreude auf Italien ein. Zuerst einmal muss ich jedoch höllisch aufpassen, dass ich nicht mitsamt Auto im Straßengraben lande. Da ich wie immer die Mautstraßen umgehen möchte und außerdem die Berglandschaft der Peloponnes ein letztes Mal erkunden will, fahre ich auf schmalen Straßen am Abgrund entlang.
Ich komme mir vor wie ein Seiltänzer, der mehrere Meter über dem Boden gerade so seine Balance hält. Die unübersichtlichen Kurven sind am schwierigsten zu bewerkstelligen. Glücklicherweise sehen das auch die griechischen Autofahrer ein, die sich mit mir auf der Straße befinden. Abgesehen von diesem Nervenkitzel, genieße ich das traumhafte Wetter und die beeindruckende Kulisse, die sich mir bietet. Kurz hinter einem umzäunten Fußballfeld direkt am Abgrund, halte ich an. Eine SMS informiert mich darüber, dass meine Überfahrt nach Italien erneut verschoben wurde.
Patras besteht schließlich gefühlt nur aus Einbahnstraßen, sodass ich viermal um den Block fahren muss, bis ich vor meinem Hotel halten kann. Da ich nur eine Deckpassage auf der Fähre gebucht habe, möchte ich mir in den zwei Nächten davor ausreichend Schlaf gönnen. Außerdem sind die Preise für Übernachtungen in Patras mehr als moderat. Mein kleines Zimmer hat einen Balkon mit direktem Meerblick. Wenn ich den Kopf drehe, schaue ich auf schneebedeckte Berge. Mein Leben ist schön.
Zwischen Bordellen, Katzenhäuschen und Krankenschwestern
Am Morgen stehe ich ausgeruht auf. Die belebte Hauptstraße in Asini werde ich definitiv nicht vermissen. Nach einem reichhaltigen Frühstück, beschließe ich, mir zu Fuß die Hafenanlage beziehungsweise den Weg dorthin anzusehen. Wenn ich weiß, wo ich hin muss, kann ich vielleicht ein erneutes Fiasko in Bezug auf die Einbahnstraßen von Patras verhindern. Denn meine absolute Horrorvorstellung ist es, zu spät zu sein und im Stau zu stehen.
Die Sonne scheint und ganz Patras scheint unterwegs zu sein. Mein rechter Fuß tut zwar nach wie vor weh, weil ich es in Kalambaka bei den Meteora Klöstern eindeutig mit den falschen Schuhen übertrieben habe, aber ich denke, dass das schon irgendwie gehen wird. Nach wenigen Metern bin ich am Hafenbecken beziehungsweise direkt am Meer. Die Straße sollte mich direkt zum südlichen Hafen führen, der ein paar Kilometer entfernt ist.
Gut gelaunt schließe ich mich den anderen Sonnenanbetern auf den Straßen von Patras an. Die meisten tragen draußen eine Maske, wobei ich persönlich noch unentschlossen bin. Deshalb setze ich sie mal auf und einige Minuten später wieder ab. Unweit des Weges sehe ich zwei Gebilde aus dem Gras ragen, die mich entfernt an Hundehäuschen erinnern. Dafür sind sie allerdings zu klein. Da darauf Katzen aufgemalt wurden, regt sich in mir die Vermutung, dass ich es mit einer Unterkunft für die zahlreichen Straßenkatzen zu tun habe, was mich freut. Zumindest ein paar Menschen kümmern sich in Griechenland anscheinend doch um die Tiere.
Da der Park direkt am Meer kurz darauf ein abruptes Ende findet, weiche ich auf die Straße aus. Inzwischen tun mir meine Füße jedoch schon ordentlich weh. In der Ferne sehe ich ein Schild, das ich zuerst nur abwesend registriere. Ein paar Sekunden später bleibe ich wie vor den Kopf geschlagen stehen: Wie es aussieht befinde ich mich vor einem Bordell. Kurzentschlossen zücke ich die Kamera, um den Straßenzug zu fotografieren. Just in diesem Moment kommt ein Mann aus dem Gebäude. Schnell verstecke ich den Apparat und mache ein weiteres Foto. Das mit dem potenziellen Kunden lösche ich sofort.
PCR Test in Patras
In Coronazeiten das Land zu wechseln ist alles andere als einfach. Nachdem ich den südlichen Hafen gefunden habe, schaue ich auf Google Maps nach, wie weit es zurück in die Stadt ist. Heute Abend steht noch ein Besuch im örtlichen Krankenhaus in Patras für mich an. Zwar wird an jeder Ecke ein Schnelltest gemacht, aber meine Reederei war nicht besonders kommunikativ, ob der auch reicht. Auf der Seite des Auswärtigen Amts und bei diversen italienischen Quellen wird mir auch nicht geholfen: „24 Stunden vor der Einreise ein Schnelltest oder 48 Stunden vorher ein negativer PCR Test“. Gilt meine Fähre schon als italienisches Staatsgebiet? Ansonsten wird das zeitlich ganz schön knapp.
Obwohl meine Füße nun tierisch wehtun und ich kaum noch laufen kann, mache ich mich ohne mein Auto auf den Weg zum lokalen Krankenhaus. Der Feierabendverkehr verstopft die Straßen, sodass ich dieses Übel in Kauf nehme. Zumindest habe ich die Schuhe gewechselt und laufe mir an anderer Stelle Blasen. Abwechslung muss schließlich sein. Obwohl mir Patras als Stadt sehr gefällt, bin ich doch extrem gefrustet, als ich auf der falschen Seite des Krankenhauses herauskomme. Der Umweg ist schlecht für meine Füße.
Endlich bei der Teststation angekommen, bin ich die Attraktion des Krankenhauses. Der Grund: Mein deutscher Nachname, der für Griechen anscheined sehr schwer auszusprechen ist. Ich habe mich in meinem Leben selten so exotisch gefühlt. Auch die anderen Patienten sind augenscheinlich neugierig auf mich. Mit den Krankenschwestern, die schließlich die Probe nehmen, läuft es ähnlich. Als ich das Krankenhaus in Patras verlasse, bin ich zwar nach wie vor nervös wegen des unklaren Testresultats, gleichzeitig grinse ich aufgrund der Situationskomik.
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