Schiff nach Ancona

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Ancona: Turbulente Überfahrt in eine neue Heimat

„Essen ist ein Bedürfnis, Genießen ist eine Kunst.

François VI. Duc de La Rochefoucauld

Mein Aufbruch nach Ancona steht heute an. Noch kann ich es nicht ganz glauben, dass ich heute um Mitternach auf eine Fähre steige, die mich in eine andere Stadt, ja sogar in ein anderes Land bringt. Bevor es nach Italien geht, muss ich allerdings in Griechenland eine Weile die Zeit totschlagen. Man hat mir im Krankenhaus versprochen, dass ich das Resultat meines PCR Tests per E-Mail erhalten würde.

Nervös versuche ich es mir an der Hafenpromenade bequem zu machen. Es ist sonniges Wetter in Patras. Trotzdem weht ein kalter Wind, sodass ich schnell wieder meine Winterjacke um mich ziehe. Während ich das Meer und die Wolken betrachte, lasse ich meine Gedanken schweifen. Wie manöveriert man eigentlich ein Auto auf eine Fähre? Denn mein Fahrzeug muss natürlich mit nach Ancona. Das lasse ich schließlich nicht einfach in Griechenland stehen.

Vor mir liegt eine Mittelmeerüberquerung
Vor mir liegt eine Mittelmeerüberquerung

Seit kurz nach zwei Uhr steigt meine Unruhe stetig an, da sich das Krankenhauspersonal mit meinem PCR Ergebnis nach dem Mittagessen melden wollte. Was ist das überhaupt für eine Zeitangabe? Wie spät essen die Griechen denn bitte zu Mittag? Um fünf Uhr Nachmittags herrscht in meinem E-Mail Postfach nach wie vor gähnende Leere. Mir reicht es. Ich rufe im Krankenhaus an. Glücklicherweise erwische ich die Dame, die gestern meine Personalien aufgenommen hat und sich noch lebhaft an mich erinnert.

Sie hätten mir das Testergebnis schon längst geschickt, heißt es nach einer kurzen Nachfrage beim Labor. Ich müsste jetzt sogar eine zweite E-Mail bekommen haben. Hektisch rufe ich meinen Posteingang auf und sehe immer noch nichts. Eine andere Lösung muss her. Kurzentschlossen schlage ich vor, das Resultat persönlich abzuholen. Nachdem ich mich durch den Stadtverkehr gequält habe, überreicht mir die Empfangsdame unter zahlreichen Entschuldigungen ein negatives Ergebnis.

Auf die Fähre nach Ancona kommen: Eine Odyssee

Als ich zurück zu meinem Auto gehe, um endlich zum Hafen zu fahren, merke ich, wie die Anspannung der letzten Stunden von mir abfällt. Es ist zwar noch viel zu früh, doch ich entscheide mich trotzdem für die direkte Fahrt zu meinem Ablegeort. Was meine Reiseplanung angeht, leide ich ein wenig unter Paranoia – Ich möchte auf gar keinen Fall zu spät kommen und schließlich könnte ich ja in einen ellenlangen Stau geraten, der Stunden dauert. Außerdem habe ich mein Ticket noch nicht. Dass ich gerade etwas überreagiere, ist mir bewusst.

Anschließend sitze ich mit meinem Ticket in meinem kalten Auto und versuche zu schlafen. Sowohl der mangelnde Platz, als auch die zwielichtigen Gestalten, die immer wieder über den Zaun zum Haufengebäude klettern, machen das jedoch unmöglich. Um kurz vor zehn Uhr stehe ich schließlich in der Autoschlange für die Fähre nach Ancona. Zwischenzeitlich sind in Patras zudem zwei Schiffe im Hafen angekommen, weshalb nach der Sicherheitskontrolle ein heilloses Chaos herrscht. Für die zweihundert Meter zu meiner Fähre nach Ancona brauche ich zweieinhalb Stunden.

Die Wartezeit möglichst zum Entspannen nutzen
Die Wartezeit möglichst zum Entspannen nutzen

Kurz nach Mitternacht legt die „Europa Palace“ endlich ab. Das Ziel: Ancona, Italien. Mich erwartet hundemüde allerdings eine böse Überraschung, denn ich habe nur eine Deckpassage gebucht. Ich bin davon ausgegangen, dass das zumindest Sessel beinhaltet, in denen man schlafen kann. Doch das Deck befindet sich im Freien. Bis auf ein paar Gartenstühle, sehe ich nur einen leeren Swimmingpool. Da ich mich in einem ähnlichen Zustand wie bei der Fahrt nach Thessaloniki befinde, bin ich den Tränen nahe. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

Kleinlaut frage ich beim Bordpersonal nach, ob noch ein Upgrade auf eine Kabine möglich wäre. Weil die Fähre kaum belegt ist, sollte das hoffentlich problemlos gehen. Erst einmal hält mir der Kapitän einen Vortrag, warum ich denn kein Griechisch könne. Anschließend bekomme ich noch meine Kabine, sogar ohne Aufpreis. Der gute Mann lässt es sich jedoch nicht nehmen, mir lasziv über die Hand zu streicheln. Angewidert falle ich ins Bett.

Auf der Fähre nach Ancona gibt es sogar eine Spielhalle
Auf der Fähre nach Ancona gibt es sogar eine Spielhalle

Ankunft in Italien

Am nächsten Morgen fühle ich mich sehr gerädert, denn geschlafen habe ich kaum. Bis zu unserer Ankunft in Ancona sind es noch knapp zwölf Stunden – Wir werden mit einer Stunde Zeitverschiebung insgesamt 24 Stunden unterwegs sein. Mein Bärenhunger zieht mich in die Kantine. Dort macht sich positiv bemerkbar, dass auf dem Schiff fast nur LKW-Fahrer sind: Die Portionen sind riesig. An Schlaf ist natürlich nicht mehr zu denken, deshalb erkunde ich die Fähre ausgiebig. Es ist schön, einfach aufs Meer hinausschauen zu können, so ganz ohne Handyempfang.

Die Aussicht von Bord des Schiffs
Die Aussicht von Bord des Schiffs

Sobald wir langsam in den Hafen von Ancona einlaufen, finde ich mich in der Lounge inmitten von kommunikativen Truckern wieder. Sie unterhalten sich zwar auch gelegentlich. Vermehrt starren sie jedoch auf ihre Handys. Ich tue es ihnen gleich. Von der Stadt Ancona sehe ich nur wenig. Zielsicher steuere ich meinen Wagen zu meiner Unterkunft, die ein wenig außerhalb liegt. Dort schlafe ich mich erst einmal aus.

Am nächsten Morgen bleibt mir genügend Zeit, um die Umgebung zu erkunden. Was mir fast gleichzeitig auffällt, ist das kältere Wetter in Kombination mit der neuen Sprache. Lange bleibe ich nicht draußen, denn ich muss noch einiges an Schlaf nachholen, bevor ich morgen nach Piane d’Archi-Quadroni aufbreche. Beim Frühstück bekomme ich einen weiteren Unterschied zu spüren: Meine Gastgeber bestehen darauf, dass ich die Mahlzeit auf meinem Teller komplett leer esse. Ich platze fast vor Pfannkuchen und Toast. Zu Essen scheinen die Italiener eine andere Beziehung zu haben, als ich sie kenne.

Ich kann das Alphabet wieder lesen
Ich kann das Alphabet wieder lesen

Weitere Impressionen aus Ancona

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Auf Flügelschlag bloggen wir regelmäßig über unsere Erlebnisse in unterschiedlichen Ländern. Zwar halten wir uns dabei meistens an die deutsche Sprache, doch euch wird hier gelegentlich auch eine englische Bezeichnung über den Weg laufen.